WIE ICH GESTERN ÜBER TRANSAKTIONEN DACHTE – UND WIE HEUTE

M&A Transaktionen zum richtigen Zeitpunkt sind für Anteile verkaufende Gesellschafter natürlich der direkteste Weg, Werte zu heben. Wofür es nicht unbedingt notwendig ist, eine Mehrheit abzugeben. Auch bei Kapitalerhöhungen kann es die Möglichkeit geben, über zu schaffende Anteile hinaus, bestehende zu verkaufen.

Während eine hohe Unternehmensbewertung bei einem mehrheitlichen Verkauf dem Altgesellschafter unmittelbar und zeitnah nützt, wird dieser Nutzen bei Kapitalerhöhungen auf die Zukunft verlagert (sofern die Entwicklung erfolgreich verläuft, hier mehr dazu).

Entsprechend nehmen die verschiedenen Methoden zur Ermittlung des Unternehmenswertes in Corporate Finance Artikeln einigen Raum ein. Und auch ich konnte mich in einer früheren Phase meiner Beratertätigkeit darüber ereifern, wie ertragswertorientierte, Marktwert- und Multiple- basierte Methoden aussehen und wie man die in der Regel auseinanderfallenden Ergebnisse in Einklang bringt.

Aber hilft das bei der Transaktion, oder ist das nur eine der vielen Schleifen, die der Berater zieht, um seine Versiertheit, seine Kompetenz zu veranschaulichen? Die Antwort hängt mit davon ab, mit welchem Case und welcher Situation man es zu tun hat.

Tatsächlich sind alle drei en passant erwähnten Verfahren von Parametern wie – nur bespielhaft – Umsatz oder den verschiedenen Ertragsdefinitionen nach Kosten abhängig. Diese liegen in einer frühen Unternehmensphase in einem geringeren Maße vor, wenn man sich etwa ein stark investierendes und vielleicht auch noch vor der Phase der Umsatzgenerierung also „pre-revenue“ befindliches Startup veranschaulicht. Was kein absolutes Hindernis ist, an einem glaubwürdigen Forecast lässt sich arbeiten.

In einer späteren Phase hat man in der Regel eine Fülle von Parametern zur Verfügung, die in eine Unternehmensbewertung eingebracht werden können, um dann endgültig alle obigen Verfahren und mehr zu zelebrieren. Die dafür notwendigen Daten werden im Zuge der finanziellen Analyse und Planung zu einem großen Teil ohnehin zusammengetragen.

Damit steht also einer Unternehmensbewertung weder in der frühen oder in der späteren Unternehmens- Phase etwas entgegen; und ja, man sollte sich mit dem Thema beschäftigt haben, obgleich auch sorgfältige Bewertungen nicht in der Form sinnvoll sind, dass man diese einem Investor vorlegen und uneingeschränkte Zustimmung erwarten kann.

Und doch ist die Fixierung auf Unternehmensbewertungen bei Transaktionen eher falsch als richtig. Erfolgreiche Transaktionen sind immer das Resultat einer gewissen Umsicht. Und zur Umsicht gehört die Beachtung einer ganzen Reihe von Faktoren, die mit Unternehmensbewertungen allein wenig zu tun haben.

Im weiteren Sinne gehören zu diesen Faktoren Themen wie der potenzielle Käufer/ Investor, dessen Gesellschafterstruktur, Einigkeit zur Ausgestaltung der Transaktion im eigenen Gesellschafterkreis, Zuverlässigkeit des Verhandlungspartners, die sich auch lange vor einem unterzeichneten LOI abzeichnet, langfristige strategische Vision und mögliche kurzfristige taktische Motive für die Beschäftigung mit dem Marktsegment, zu dem das Target-Unternehmen gehört. Einige dieser Fragen sind trivial, andere nicht so sehr, aber alle mit entscheidend für die Wahrscheinlichkeit, dass getätigte Zusagen, ob nun unterschrieben oder nicht, eingehalten werden.

Näher beim Thema Unternehmensbewertung aber immer noch nicht durch diese erfasst, ist die Struktur der Transaktion. Wann genau sollen – im Falle von Finanzierungen – unter welchen Bedingungen welche Summen investiert werden? Ähnlich spannend ist die Frage der Strukturierung eines etwaigen Earn Outs (also des noch „zu verdienenden Teils“ eines Kaufpreises) bei einem Unternehmensverkauf.

In beiden Fällen könnte man feststellen, dass der vermeintliche Verhandlungserfolg einer Unternehmensbewertung durch diese Bedingungen vollständig relativiert wird. Und diese deswegen keine blossen Randbedingungen sind.

Sodann ist Unternehmensbewertung im Unternehmenstransaktionsmarkt gleichbedeutend mit Brutto-Unternehmensbewertung („Enterprise Value“). Wovon der den Gesellschaftern zufließende Kaufpreis („Equity Value“) zu unterscheiden ist. Um sich zur Ableitung eine Vorstellung zu machen, addiert man hierbei liquide Mittel, zieht etwaige Schulden ab und berücksichtigt das Nettoumlaufvermögen. Wie geht man aber damit um, wenn das Unternehmen einen überdurchschnittlich hohen Lager- oder Forderungsbestand aufgebaut hat?

Letztlich, und im Rahmen dieses kurzen Artikels kann auch das nur angedeutet werden, stehen im Rahmen der Verhandlung der Finanzierungsvereinbarung bzw. des Kaufvertrages, also in einer Phase, wo die meisten Unternehmer glauben würden, das „Schlimmste“ (inkl. einer etwaigen Due Diligence) überstanden zu haben, auch in den letzten Zügen gerne noch Themen wie die Formulierung von Verkäufergarantien oder „Leaver-“ Regelungen buchstäblich auf der Kippe. Und auch dieser Teilprozess kann einem derart zu denken geben, dass die, wie man glaubte, zentrale Frage der Unternehmensbewertung fast schon nebensächlich erscheint.

Natürlich ist verständlich, dass „Transaktionen“ und „Bewertung“ oft in einem Atemzug genannt werden. Den Verhandlungserfolg an diese eine Zahl zu knüpfen, ist jedoch regelmäßig zu kurz gedacht. Mehr dazu auch in diesem neueren Artikel.

Und idealerweise denkt man über die genannten – und mehr – Bausteine erfolgreicher Transaktionen nach, bevor man die erste Zahl nennt.