Eigenkapitalbeschaffung abseits von Börsengängen

Eigenkapitalbeschaffung ist ein grobes Wort. Die letzten, die mit der „Beschaffung“ von Eigenkapital glücklich wurden, waren Bonnie und Clyde. Eigenkapital wirbt man ein.

Während Fremdkapital – auch in der modernen Venture Debt Ausprägung – an harte Voraussetzungen geknüpft ist, hängt die Finanzierung mit Eigenkapital in einem hohen Maße von Faktoren ab, die sich im engeren Sinn nicht messen oder darlegen lassen, sondern die Unternehmer überzeugend präsentieren sollten.

Entsprechend kommt der Überzeugungskraft der Präsentation, respektive der Persönlichkeit, die präsentiert, bei der Kapitalbeschaffung viel Bedeutung zu. Aber warum ist das so?

Weil die Erwartungen eines Fremdkapital-Gebers überschaubar sind. Dieser möchte seinen Kapitaleinsatz zurück, zuzüglich Zins. Keine Vervielfachung des eingebrachten Kapitals (außer natürlich, es wird nicht termingerecht geleistet).

Der Eigenkapital-Investor erwartet eine viel höhere, über den Fremdkapital-Zinssatz hinausgehende Rendite. Dafür muss aber auch die Ausgangssituation und die Marktchance außergewöhnlich sein.

Verwirrenderweise gibt es auch als Eigenkapital gewertete Investitionen, die sich verzinsen, was für die Zwecke dieses Artikels zur Eigenkapitalbeschaffung aber als Sonderfall gewertet werden kann.

1. Eigenkapitalbeschaffung über Börsengänge

Von Börsengängen können auch Unternehmen, die zur Beschaffung von Eigenkapital nicht an die Börse gehen wollen, außerordentlich viel lernen. Im Guten wie im Schlechten.

Bei Börsengängen wird einer großen Allgemeinheit die Möglichkeit gegeben, Aktien von erfolgversprechenden Unternehmen zu erwerben. Damit ist auch sofort klar, dass der Erfolg des Börsengangs entscheidend davon abhängt, mit welcher Story dieser beworben wird. Denn die Allgemeinheit ist nicht notwendigerweise an historischen Finanzkennzahlen (oder Forecasts) interessiert. Und eine Branche, besonders dann, wenn es um Güter und Dienstleistungen für Unternehmen geht, kann so komplex sein, dass man erst nach langer Auseinandersetzung einen ersten Überblick bekommt.

Damit ist eine der wichtigsten Aufgaben, zur Verfügung stehende Informationen zu vereinfachen und in einen positiven Gesamtzusammenhang zu stellen.

Interessanterweise wird diese wichtigste Regel bei Börsengängen – „die Story muss stimmen“ – bei Eigenkapital-Finanzierungen von Unternehmen im privaten Umfeld (im Englischen passenderweise auch „private placements“ genannt) oft völlig außer Acht gelassen – oder gänzlich falsch verstanden.

2. Eigenkapitalbeschaffung über private und institutionelle Investoren

Auch vor und abseits von Börsengängen haben Unternehmen im Eigenkapital-Bereich verschiedene Finanzierungsoptionen. Der Autor dieser Zeilen hat sich das letzte Mal vor über 10 Jahren mit Crowdfunding beschäftigt, ein Finanzierungszweig, der in Deutschland zu jener Zeit im internationalen Vergleich noch in den Kinderschuhen steckte und sich auch hierzulande sicher weiterentwickelt hat.

Entsprechend ist dieser Beitrag durch langjährige Erfahrung der Eigenkapital-Finanzierung von Unternehmen durch Business Angels, Venture Capital- und Private Equity-, ebenso wie durch strategische Investoren geprägt.

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Gemeinsamkeiten

Die Mehrheit des in diesen Transaktionen eingebrachten Kapitals wurden bilanztechnisch auf die gleiche Art investiert. Ganz unabhängig von Start up Unternehmen oder KMU. Nach einer Erhöhung des Stamm- bzw. Grund-Kapitals der Gesellschaft werden die neu ausgegebenen Anteile zum Nominalwert verkauft und der interessantere Teil der Geldmittel in die Kapitalrücklage eingebezahlt.

Daraus ergibt sich, dass der Eigenkapital-Investor Mitgesellschafter wird und zunächst pro rata (also im Verhältnis zu seinem Anteil) die genau gleichen Rechte genießt – im Gegenzug aber natürlich auch gewisse Pflichten hat – wie andere Gesellschafter, die ggf. einen deutlich größeren Anteil an der Gesellschaft halten.

Lässt man fünf gerade sein, ähnelt sich die Aufbereitung eines Investmentprojektes für einen Business Angel gegenüber einem Risiko-Kapital-, Private Equity Investor oder Strategen auf verblüffende Art und Weise. Zumindest in den Grundzügen. Meist wird es darum gehen, Kapital und andere Mittel als Grundlage für weiteres Wachstum einzubringen. In Einzelfällen, die ich in Europa aber als große Ausnahmen sehen würde, kann die Persönlichkeit von Investoren allein eine Image-Stärkung des Unternehmens bedeuten und Miteigentums-Rechte rechtfertigen (umso genauer wird man die künftige Rolle dieser i.d.R. Privatpersonen definieren).

Für alle Investorengruppen empfiehlt sich einerseits größtmögliche Transparenz (während Fremdkapital-Geber Ihre Entscheidung, neben Sicherheiten, von wenigen Kerndaten abhängig machen werden), ohne natürlich einen reinen Datensalat zu produzieren.

Auch ein nur zwei Jahre junges Unternehmen kann (denkt man etwa im B2B SaaS – Bereich an Daten wie Kosten für Kundengewinnung, Wachstum und Kundenverluste oder im ECommerce – Sektor an Seitenbesucher, Conversions und Warenkörbe) schon eine Vielzahl hochinteressanter Daten aufweisen, die man bei der Kapitalbeschaffung bedenken sollte. Diese im Vorfeld der gewünschten Eigenkapital-Investition nicht zu analysieren, da man noch keine Millionen Gewinne oder Umsätze ausweist, wird sich im Prozess der Finanzierung oft als großer Fehler erweisen.

Auch würde man glauben, dass Business Angel stets nur in ihrer Nische investieren, ebenso wie genannte VCs, PEs und Strategen und dass man daher von Branchenkenntnis ausgehen kann und sich allgemeine Erläuterungen sparen kann.

Ja und Nein. Auf eine gewisse Art sind all diese Kapitalgeber natürlich Profis. Allerdings nicht alle Ansprechpartner im gleichen Maße. Bei jeder Kapitalbeschaffung geht es darum, alle Entscheider – auch jene hinter den Kulissen – abzuholen. Märkte entwickeln sich gerade deswegen weiter, weil verschiedene Marktteilnehmer die Entwicklung unterschiedlich einschätzen, und bei weitem nicht die gleichen Informationen zur Verfügung haben. Die Schlussfolgerungen der Kapital einwerbenden Partei, in Bezug auf Branchen und Märkte sind daher immer lesens- und hörenswert.

Unterschiede

Business Angels, Venture Capital, Private Equity Investoren und Strategen investieren tendenziell natürlich in unterschiedlichen Unternehmensphasen – und mit unterschiedlichem Ziel.

Der Business Angel geht – neben dem Gründerteam selbst – das größte Risiko ein, u.a. kann er (zuweilen erfreulicherweise auch sie) nicht sicher sein, dass es eine Folgefinanzierungsrunde geben wird. Wenn nicht, ist das eingebrachte Kapital mit hoher Sicherheit verloren, was den „Angel“ mehr schmerzt, da er fast immer weniger breit in Unternehmen investiert, als andere Investorengruppen. Genau dieses Risiko kann aber auch der Grund sein, warum sich der Angel als sehr präsenter Berater in das Team einbringt. Auf dieses persönliche Engagement kann man bei anderen Investorengruppen nicht immer zählen.

Finanzinvestoren, ob nun aus dem Venture Capital- oder Private Equity Bereich stehen immer mehr im Ruf, Eigenkapital-Partner zu sein, so wie Banken Fremdkapital-Partner sind. Also eher austauschbar. Wer sich solch pauschalen Aussagen anschließt, wird vielleicht nicht bei der Eigenkapital-Suche scheitern, aber sicher dann, sobald die Suche und der Prozess abgeschlossen sind.

Gemeint ist: Kapital zu investieren und vereinbarungsgemäß einzubringen, ist das eine. Das andere, dem Unternehmen über den ganzen langen Prozess, entweder bis zur nächsten Finanzierungsrunde oder bis zum Exit als Sparringpartner zur Seite zu stehen, oder zumindest nicht das Leben schwer zu machen (wofür es, ist man einmal Mitgesellschafter, viele Möglichkeiten gibt).

Das erfordert die Bereitstellung von Ressourcen, die über Kapital deutlich hinausgehen und neue Möglichkeiten eröffnen. Know How und Netzwerke sind zwei Beispiele. Oder schlicht und ergreifend: Zeit. Wie sieht das Verhältnis Investmentmanager zu Portfolio-Unternehmen aus? Steht die Ressource Mensch zur Verfügung, wenn man diese dringend braucht? Was man hinterfragen sollte.

Verläuft der Prozess der „Eigenkapitalbeschaffung“ einigermaßen erfolgreich, eröffnen sich Möglichkeiten, mit einer Reihe von Investoren länger zu sprechen. Wer nicht gewissenhaft vorbereitet in diese Gespräche geht, Hintergrundrecherchen mit der empfundenen persönlichen Chemie abgleicht und unbedingt auch kritische Fragen stellt, handelt fahrlässig. Der Eigenkapital-Investor muss als Mitgesellschafter bei strategischen Fragestellungen und Problemen mindestens verlässlich mit Rat zur Seite stehen. Wer diese Bedürfnisse nicht erfüllt, gehört nicht auf die Gesellschafterliste.

Selbstredend unterscheiden sich VCs und PEs darin, dass im VC-Bereich aus verschiedenen Gründen immer nur ein Minderheitsanteil am betreffenden Unternehmen erworben wird, im PE Bereich hingegen meist die Mehrheit, was das Kräfteverhältnis im Unternehmen natürlich unterschiedlich beeinflusst. Daher sind Private Equity Unternehmen eher Unternehmenskäufern zuzurechnen und nicht jenen Minderheitsinvestoren, um die es in der Regel geht, wenn man von Eigenkapitalbeschaffung spricht. Keine Regel ohne Ausnahme, wie etwa diese Transaktion rund um den Tierfutterhersteller Barfer’s Wellfood zeigt.

Ganz ähnlich würde man in diesem Zusammenhang nicht primär an „Strategen“, also im gleichen Segment tätige Unternehmen denken. Kaufen Strategen Unternehmen nicht immer mehrheitlich? Eben nicht, was die (auch in der Gesamtheit Minderheits-) Beteiligung von 3 Strategen an früheren Agentur und jetzigen B2B SaaS Player AX Semantics belegt.

Viele Strategen haben Beteiligungsunternehmen speziell dafür gegründet, um Minderheitsbeteiligungen einzugehen. Aus gutem Grund, denn für eine Reihe von Unternehmen in einer frühen Phase kann es durchaus sinnvoll sein, solch strategische Partnerschaften zu schließen. Und damit, wovon bei Eigenkapitalbeschaffung selten die Rede ist, kann sich auch bei Minderheitsinvestitionen die Frage stellen, mit welchen Partnern am ehesten Synergien entstehen können.

Synergien sind ein gutes Stichwort, weil es diese fast immer gibt – und diese natürlich immer anders ausfallen. Neben einem von vornherein gut aufbereiteten Investment Case ist das Verständnis – und die Kommunikation – von Synergien der beste Weg, Eigenkapital-Investoren (als auch Unternehmenskäufer) einzuwerben. Der Business Angel hat immer eine berufliche oder Investment-Historie, auf die man sich beziehen kann, Private Equity Investoren verfolgen immer eine Strategie, die man kennen sollte und suchen oft nach Unternehmen, die zu bereits vorhandenen Portfolio-Unternehmen passen. Und bei Strategen versteht es sich von selbst, dass man gut wissen sollte, wie diese aufgestellt – und wo es „strategische Lücken“ gibt – schon bevor man vorsichtig (aber immer selbstbewusst) nach Kapital anklopft.

Schlussfolgerungen

Lassen Sie sich bei der Kapitalbeschaffung nicht verrückt machen. Die größte Herausforderung ist immer, Ruhe zu bewahren. In erster Linie wollen Investoren Transparenz, was die Vergangenheit angeht, gute Zukunftsaussichten und ein Team, auf das man sich verlassen kann. Dieser Satz an Information ist für alle Investoren, sogar wenn es um Kredite und Darlehen geht, gleich. Kapitalgeber aus dem Eigenkapitalumfeld gehen ein größeres Risiko ein, der Mensch ist hier ebenso wichtig wie die juristische Person Unternehmen. „Story“ bedeutet hier nicht „Geschichte“ im simplen umgangssprachlichen Sinn, sondern ein Erzählbogen, der logisch bleibt und Chancen aufzeigt. Dazu hier noch ein paar Worte mehr.

Wenn Sie darüber hinaus, als wichtige Kirsche auf dem Sahnehäubchen sozusagen, verstehen, wen Sie da als potenziellen Investor kontaktieren, wo diese Partei herkommt und hinmöchte, und in den Erstgesprächen vielleicht sogar gut zuhören, ist Ihr „Prozess der Einwerbung von Eigenkapital“ (zugegeben ist „Eigenkapitalbeschaffung“ prägnanter) auf einem guten Weg.

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