Wieviele Bücher gibt es zu Verhandlungsstrategien. Mit Analogien zu Poker- und Schachspielen, Intrigen und anderen Kriegen. Wer deckt wann welche Karte auf, wer antizipiert mehr Züge, wer obsiegt und bekommt alles.
Allerdings geht diese Art von Mindset in einer Transaktion um den Kauf eines nicht börsennotierten Unternehmens oder der Investition in ein Startup am Ziel vorbei. Wenn man schon einen Vergleich heranzieht, wäre ein Ehevertrag passender.
Aber das klingt natürlich nicht so interessant. Wobei auch solche Schriftstücke ihren großen Moment haben können. Wir lassen hier aber Vergleiche zunächst links liegen und sehen uns zunächst die verhandelbaren und nicht verhandelbare Kernelemente einer Transaktion an.
Dabei ist das wichtigste nicht verhandelbare Element mutmaßlich der persönliche Fit (was hier nur so lange stehen bleibt, bis mir ein vernünftiger deutscher Ausdruck einfällt); die Frage, ob die Parteien, die nach der Transaktion kommunizieren und zusammenarbeiten sollen, das auch können. In allerletzter Konsequenz zeigt sich das natürlich erst später, aber die Ungezwungenheit, die sich in einem Raum voll von Vertretern beider Unternehmen einstellt, oder eben ganz und gar nicht, ist dafür ein gutes Indiz.
Aus diesem Grund erscheint es mir weiterhin als erstrebenswert, ein Kennenlernen der Parteien so früh wie möglich herbeizuführen (was zudem in der praktischen Diskussion des Business Cases weiter führt, als der Austausch der umfangreichsten Präsentationen).
Aber wie weit soll dieser direkte Austausch gehen, ist es nicht sinnvoll, diesen direkt in die Verhandlung der Transaktion übergehen zu lassen? Zumindest die Eckparameter benennen, die Festung im Sturm erobern? Und wer im Team sollte damit vorangehen?
Das Geflecht der Verhandlungsthemen
Was die abstimmbaren Anteile an der Transaktion betrifft, gibt es an anderer Stelle bereits einen ersten Einblick in Haupt- und Nebenelemente von Unternehmenskauf und -Finanzierungsverträgen. Außerdem spielen sich die Verhandlungen ja auf einer Zeitachse ab. Dafür, dass oft eine nicht bindende Vorvereinbarung (Letter of Intent) geschlossen wird, gibt es gute Gründe. Man beginnt so, Themen zu strukturieren. Eine solche Vorvereinbarung ist allerdings nicht zwingend. Erfahrene Verhandlungspartner können aus verschiedenen Gründen übereinkommen, sogleich über die bindenden Verträge zu sprechen – die dann natürlich erst zu einer finalen Fassung reifen müssen. Auch dann wird man allerdings nicht umhin kommen, Fragen zu priorisieren bzw. in Blöcken abzuarbeiten.
Damit haben Verhandlungsthemen mindestens zwei Dimensionen, sie gehen zum einen in die Tiefe, werden also immer detaillierter und andererseits auf einer Zeitachse abgearbeitet. Zwar könnte man sagen, dass bis zum Notartermin nichts vereinbart ist und alles erneut zur Disposition gestellt werden kann. Gleichzeitig wäre so ein Vorgehen aber ein Prozess-GAU und rüttelt an dem Vertrauensverhältnis von Parteien, die ja oft, auch nach der Transaktion, noch eine ganze Weile miteinander zu tun haben.
Es mag gute Gründe geben, einmal abgestimmte Themen wieder aufs Tableau zu bringen, aber eigentlich sollte man so einen Gedanken nicht einmal laut aussprechen, um die Transaktion nicht irreparabel zu beschädigen.
Das wiederum bedeutet, dass im Zuge des Transaktionsprozesses auch nicht schriftlich getroffene Vereinbarungen ihre Tragweite haben. Tatsächlich ähneln M&A Transaktionen auch insofern eher dem Mannschaftssport des Curling als der Einzelkämpfer-Disziplin des Speerwurfes. Den Speerwerfer haben wir vor Augen. Auf sich gestellt gibt er dem Speer Richtung und Energie, die weitere Flugbahn wird aber auch von unwägbareren Umständen, wie dem Wind bestimmt. Beim Curling, wenn Sie die Bilder der Winterolympiaden vor dem inneren Auge haben, tut sich nach dem Abspiel noch einiges, und man könnte sagen, dass es zum Ende hin regelmäßig hektisch wird. Man will und kann den Verlauf also beeinflussen, ist aber ebenso auf den Anfangsimpuls und -energie angewiesen. Fehler in dieser ersten Phase können nur unter großen Anstrengungen, wenn überhaupt, korrigiert werden.
Bei M&A Verhandlungen hängt also wirklich viel davon ab, wie der Ball ins Spiel gebracht wird. Ebenso sollte man das Eis beobachten, auf dem man sich bewegt. Auch dieses kann sich verändern, aus externen wie aus internen Gründen.
Gesellschafter: Einheit und Vielfalt
Dazu kommt ein Punkt, der zwar ebenso zur täglich gelebten Realität der verkaufenden Gesellschafter gehört, dessen Relevanz im M&A Prozess aber nicht sogleich offensichtlich ist: je breiter das Gesellschafterteam gestreut ist, desto unterschiedlicher in der Regel die Charaktere, damit regelmäßig auch die Ziele für das Unternehmen und somit für die Transaktion. Diese Situation verschärft sich sogar noch, wenn nicht alle Gesellschafter operativ tätig sein sollten. Motivationen und Ziele der verschiedenen Gesellschafter zu verstehen, gehört zu den Aufgaben, die ein potenzieller Käufer bzw. Investor zu Beginn abarbeitet. Ebenso aber, deutlich früher, der diese Gesellschafter vertretende M&A Berater, um ggf. divergierende Ziele abzuwägen und in der gemeinsamen Verhandlungsstrategie zu berücksichtigen.
Und mit dieser rhetorischen Frage muss nicht bis zum Ende des Artikels gewartet werden: ist zu erwarten, dass die Gesellschafter in der Gesamtheit mehr erreichen, wenn sie mit einer Stimme oder jeder für sich sprechen und verhandeln?
Ruhe im Sturm
Selten vernachlässigbar: das psychologische Element. Für die meisten Gesellschafter ist eine Finanzierung die erste entsprechende und der Unternehmensverkauf vielleicht die einzige Auseinandersetzung mit dieser Materie. Natürlich ist Erfahrung bei Unternehmenstransaktionen ein wichtiges Erfolgskriterium. Wichtiger aber noch ist die Ruhe. Vom M&A Berater wird nicht zu Unrecht erwartet, dass er bereits vielen ähnlichen Situationen ausgesetzt war bzw. noch ausgesetzt sein wird und das Verhandlungsresultat kein so großer Einschnitt im unternehmerischen Leben sein wird, wie für den typischen Gesellschafter. Das alleine verleiht eine, im positiven Sinne des Wortes, Gelassenheit, die den Prozess stets zum Vorteil beeinflussen wird. Und das gilt nicht nur in Bezug auf die zu Beginn der Gespräche behandelten, vermeintlich wichtigsten Themen, sondern auch für die zum Ende zu klärenden, sogenannten Details. Waren Sie schon einmal bei unruhiger Wetterlage segeln? Einmal im Hafen wähnt man sich am Ziel, aber die Wellenbewegungen können immer noch heftig genug sein, sich an der Mole ein schönes großes Loch in den Rumpf zu reißen. An Vertragsformulierungen zu feilen ist keinesfalls reine Kür, sondern hat, wie in oben bereits erwähntem Artikel dargelegt, oft Potential, das Gesamtergebnis stark zu beeinflussen.
Vor dem Hintergrund dieser Themen, die nur teils mit der Erfahrung der Verhandlungsteilnehmer zu tun haben, ist die Frage, ob die Verhandlungen zu einem Deal nicht, zumindest zu einem gewichtigen Teil, dem M&A Berater überlassen werden sollen, vielleicht verständlich. Eine weitere, wirklich wichtige Partei im Prozess, der bzw. die beratenden Anwälte wurde hier, um Komplexität zu reduzieren, allerdings noch nicht beachtet und soll in einem künftigen Artikel näher behandelt werden.