DIGITALE PROZESSE, EFFIZIENZ UND EFFEKTIVITÄT

Dass die Verwerfungen der vergangenen zweieinhalb Jahre die Digitalisierung vorangetrieben haben sollen, leuchtet ein. Viele von uns verbrachten davor schon einen Großteil der Arbeitszeit an digitalen Endgeräten. Dazu kam im beruflichen Umfeld die neue Selbstverständlichkeit, Erstkontakte im Videocall abzuwickeln sowie der Push, den Remote-Work erfuhr und im Einzelhandel die gesteigerte Bereitschaft von Konsumenten zu E-Commerce Transaktionen. Von veränderten Freizeitgewohnheiten ganz zu schweigen.

Damit einher ging ein Ruck durch die unternehmerische Landschaft, wie sie durch die Lupe der Private Equity Welt schon früh erkennbar war. So urteilten Investoren in Bezug auf die Performance von Portfolio-Unternehmen unter den damaligen Krisenbedingungen schon 2021 sehr differenziert und mehrheitlich kaum euphorisch. Zu deutlich hatte sich früh herauskristallisiert, welche Unternehmen von der Krise profitieren würden – und wieviele nicht.

Nun ist es vielleicht keine Überraschung, dass eine seit Jahrzehnten auf eine immer offenere Welt und Gesellschaft getrimmte Wirtschaft von Lockdowns in der Gesamtheit nicht profitieren kann. Dennoch sind die langfristigen Auswirkungen vielleicht in mehrere Richtungen.

Wenn die „Globalisierung tot“ ist, wie zwischendurch gerne gesagt wurde, sollte Regionalität an Bedeutung gewinnen und die Möglichkeiten, beruflich und privat persönlich zu interagieren, zunehmen. Online einzukaufen mag als effizient erscheinen, aber eher dann, wenn das Paket nicht erst drei Tage später beim Nachbarn gefunden wird, dann auch gefällt und man sich nicht am nächsten Tag in die Schlange vor den immer seltener werdenden Postfilialen anstellen muss. Und was Online Meetings angeht, so könnte sich bei dem einen oder anderen die Einsicht eingestellt haben, dass das gute alte face to face doch so seine Vorteile hatte.

Dazu eine Anekdote:

Mit einem von mir aus verschiedenen Gründen geschätzten Investor aus dem nahen europäischen Ausland stehe ich seit längerem regelmäßig zu möglicherweise interessanten Projekten in Austausch. Irgendwann kam es, nach Vorstellung eines Targets (wie es nach wie vor so schön heisst) per Präsentation und Finanzdaten zu einem ersten breiter angelegten Online Meeting in dieser Sache, an dem sich der Investor selbst, meine Wenigkeit, das Management eines bereits vom Investor gehaltenen Portfolio-Unternehmens und die Geschäftsführer des von mir betreuten „Targets“ beteiligten.

In aller Ausführlichkeit, wobei Konferenzen dieser Art selten über länger als 90 Minuten geführt werden. Es geht, für beide Seiten, um einiges. Der Konzentrations-Level ist hoch.

Wir kamen im Anschluss, was den Kauf des Unternehmens betrifft, nicht zusammen. Ein Grund, und ich darf dies schreiben, weil ich mich mit den Beteiligten freimütig darüber austauschte: die Akteure seitens des potenziellen Käufers erschienen uns als distanziert, fast schon desinteressiert.

In Folge ruhte der Austausch erst einmal aus verschiedenen Gründen (der Eindruck zur persönlichen Chemie war allerdings einer), bis die Kommunikation in einer zweiten Runde auflebte und ein persönliches Treffen vereinbart wurde, bei dem die Käuferseite meinen Mandanten besuchte.

Der Eindruck, im Vergleich zum virtuellen Treffen, hätte konträrer nicht sein können. Die insgesamt vier Vertreter des Käufers wurden von uns als außergewöhnlich unterschiedlich wahrgenommen und jeweils als Persönlichkeiten, die sich nur schwer (eigentlich gar nicht) in die Schubladen Unternehmensgründer bzw. Finanzinvestoren einordnen ließen. Der Austausch verlief mehr als freundlich und wurde von beiden Seiten spürbar engagiert geführt. Wozu viele Faktoren beitrugen. Darunter wohl auch die berühmte Tagesverfassung und die Freude, nach einer langen Zeit von Maßnahmen, die persönliche Treffen in hohem Maße erschwerten, endlich wieder „good old school“ Meetings wahrnehmen zu können.

Im Anschluss war die Euphorie wieder hoch. Wir als Verkäufer-Team haben uns zwar dennoch mit einem anderen Käufer geeinigt und die Transaktion erfolgreich abgeschlossen, was aber viel mit dem Verlauf des Transaktions-Prozesses zu tun hatte. Hätte dieses persönliche Treffen zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden, wäre ich nicht sicher, für welchen Käufer sich das Team des verkaufenden Unternehmens entschieden hätte.

Soviel zur „Effizienz“ der Digitalität am Beispiel von Konferenzen. Als ergänzendes Werkzeug im Kommunikationsbaukasten für uns alle mittlerweile unverzichtbar. Falsch verstanden verhindern diese Hilfsmittel aber mehr, als sie zustande bringen.

Wie ist es wohl mit anderen digitalen Prozessen?

Übrigens, waren Sie schon einmal im Bode Museum in Berlin? Wussten Sie, dass der Bau dieses Museums, um die Wende vom 19. ins 20 Jh., binnen 6 Jahren abgeschlossen wurde? Ich nehme mal an, termingerecht. Und das ganz ohne Slack.