Kunden in spe meinen oft, ich wisse von vornherein, was Investoren wollen.
Wenn eine Transaktion jemals nach einem unflexiblen Schema F abliefe oder man Investoren/ Käufer unbesehen in dieselbe Schublade stecken könnte, wäre das vielleicht wirklich so. Tatsächlich verlangte aber jedes Projekt, mit dem ich mich jemals auseinandergesetzt habe, eingehendste Beschäftigung mit Unternehmensgeschichte, Märkten und eine Fülle anderer Daten, um den Investment-Case herauszuarbeiten (zusätzlich zur Energie, die es erfordert, diesen Case den oft – aus gutem Grund – nüchternen Private Equity Analysten nahezubringen).
INVESTOREN UND GESUNDER MENSCHENVERSTAND
Gleichzeitig gebe ich gerne zu, dass jede Partei, die jemals eines der von mir beratenen Unternehmen kaufte oder in dieses investierte, als professioneller „Investor“ eingestuft werden konnte, auch wenn es sich teils um Privatpersonen handelte. Allerdings waren die dahinterstehenden Motivationen und Strategien immer gänzlich andere, von den Persönlichkeiten gar nicht zu reden.
Sicher gibt es Gründe, warum Investoren für eine eigene Spezies gehalten werden. Das ist aber ebenso trügerisch, wie die im Umlauf befindlichen Buzzwords, für eherne Investment-Prinzipien zu halten. Man denke an “Skalierbarkeit” als eines der beliebtesten Kriterien – das Potenzial eines gegebenen Business Modells, überproportionale Erträge zu erbringen.
Was dann zu den Fragen führt, wie „skalierbar” ist skalierbar genug, wie kann ein Unternehmer solche Kriterien mit der Notwendigkeit vereinbaren, sein Geschäft solide zu betreiben und führen solche Termini bis heute nicht viel öfter dazu, Excel-Pläne einfach einmal zu verzerren, als zu belastbaren Forecasts beizutragen?
Soll heißen: bei allem, was über Investoren, Investitionen und M&A gesagt wird, ist gesunder Menschenverstand ein weitaus besserer Leitfaden für alle Präsentationen, Diskussionen und Entscheidungen, als Begriffe und „Prinzipien“, die bei genauerem Hinsehen vieles bedeuten und manchmal auch gänzlich in die Irre führen können.
Wo sich vermeintliche Investment-Kriterien aber mit gesundem Menschenverstand decken, sollte man genauer hinhören. Und eines davon ist Cash Flows.
DIE ENTWICKLUNG DES CASH FLOW BEGRIFFS
Größtenteils arbeite ich auf Kundenseite natürlich mit Deutsch-Muttersprachlern. Sodass ein Grund für die mangelnde Akzeptanz Cash Flow basierter Modelle in der sperrigen deutschen Übersetzung „Liquiditätsplanung“ liegen mag. Auch scheint so ein langweiliges Thema wie Liquidität nicht zu allen, wie beispielsweise „digitalen“ Business Modellen zu passen.
Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. In 99% der Fälle.
Man versetze sich in die Situation eines Unternehmers, der versucht, nachhaltig Unternehmenswerte aufzubauen. Dabei ist hier Nachhaltigkeit so zu verstehen, dass das Unternehmen ihn ebenso wie seine Angestellten auf Dauer unterhält, selbstverständlich andere Stakeholder nicht außer Acht lässt und die Organisation, Stichwort „Unternehmenswert“, gleichzeitig interessant für Investoren wird.
Was könnte der eine Parameter sein, der die Geschäftsführung am praktischsten unterstützt? Dabei hängt die nützlichste Metrik natürlich auch vom jeweiligen E-Commerce, B2B SaaS, Projekt-getriebenem oder jedem anderen Business Modell ab. Aber welche Kennzahl wird der Unternehmer am Ende des Tages branchenübergreifend notwendigerweise immer nachverfolgen?
Ebenso fällt mir an dieser Stelle stets der 1930 geborene Warren Buffet ein (wobei hier nicht abgehandelt werden soll, was er über Bitcoins und andere Themen unserer Zeit gesagt haben soll). In einem Land und in einer Ära groß geworden, als Aktienmärkte bereits zur Alltagskultur gehörten, ebenso wie die vielen Spalten mit den jeweils aktuellen Börsenkursen in den Zeitungen. Der Legende nach sichtete er diese schon in sehr jungen Jahren und fragte sich, welche Aktien denn kaufenswert seien (hätte er damals schon die Mittel dafür gehabt, denn nach der gleichen Legende startete auch er als einfacher Zeitungsjunge).
Welcher Parameter war für ihn, den Investor in spe, der sinnvollste, in diesen vermeintlich vormodernen Zeiten, ohne ansatzweise über die Datenpunkte und Quellen zu verfügen, die uns heute offen stehen? Nun ja, Cash Flows. Warum Cash Flows? Weil ein Asset – also ein Anlagegut, wobei eine Aktie ebenso ein Anlagegut ist, wie die nicht an der Börse gehandelten Anteile eines Start Ups oder eines KMUs – als unterbewertet gilt (und daher zu einem Kauf zu raten ist), wenn der Preis im Markt unter dem Barwert (vereinfacht der Summe) der künftigen Cash Flows liegt (wen das nicht abgeschreckt hat empfehle ich das mehr als lesbare „The Snowball. Warren Buffet and the Business of Life” von Alice Schroeder)
So einfach und intuitiv.
CASH FLOWS ALS KLEINSTER GEMEINSAMER NENNER
In unsere Welt übertragen: der Venture Capital Investor fasst von vornherein Exit – Cash Flows ins Auge, der Private Equity Analyst vertraut vor allem auf die operativen Margen (als Voraussetzung für Cash Flows), die er während der Haltezeit ausbauen möchte, der strategische Käufer zählt auf Umsatz- und Profit-steigernde Synergien (als Hebel für Cash Flows). Umstände und Details können variieren, aber das gedankliche Modell bleibt stets absolut ident.
Wie geht es nun dem Unternehmer damit? Wie gesagt, Cash ist auch hier das Um und Auf. Wir verwenden Ausdrücke wie “burn rate” so oft und so neutral, dass uns die dahinterstehende Aussage als harmlos erscheint. Wenn man aber nicht gerade selbst über bedeutende Rücklagen verfügt, oder ohne vermögenden Investor als Geschäftspartner auskommen muss, ist die unternehmerische Werdegang nur in etwa so lang, wie die Ausgangsrechnungen die Eingangsrechnungen, Mieten, Löhne und Gehälter abdecken. Der Unternehmer hat also ebenso ein wahrlich vitales Interesse an seinem Liquiditäts-Status und Cash Flow – Forecast.
Daher haben Unternehmer und Investoren von vornherein ein sehr ähnliches betriebswirtschaftliches Grundverständnis und in der Praxis nur eingeschränkten Bedarf an kreativer Terminologie und Metriken. Die fast immer nur helfen sollen, bald oder mehr Liquidität zu generieren.
Und wenn wir schon dabei sind. Was sind denn andere Faktoren, die anscheinend Motivation und Haltung von Unternehmern und Investoren trennen? Etwa, dass letztere vermeintlich stets auf den Verkauf des Unternehmens drängen?
Nur zu einem kleinen Teil.
Wieviele Unternehmer sind denn wirklich erpicht, eine unbegrenzte Anzahl von Stunden für eine unbegrenzte Anzahl von Jahren zu arbeiten, um dann zu realisieren, dass es keinen natürlichen Nachfolger gibt und passende Management Buy In Kandidaten schwer zu finden sind?
Damit können sich die Zeitleisten unterscheiden – wobei diverse Fonds-Strukturen auch diese Unterschiede überbrücken – tatsächlich liegen aber die natürlichen Ziele von Unternehmern und Investoren viel näher beieinander, als man gemeinhin glaubt. Schließlich ist auch der Unternehmer ein, wenn auch besonderer, Investor. Und wenn die Ziele nahe beieinander liegen, sollte das auch für die KPIs und verschiedene Kriterien gelten.
Vielleicht ist das also ein Gedanke für die nächste Investoren-Präsentation. Je besser es gelingt, eine Abwägung zwischen feinsinnigen Branchen- und unternehmensspezifischen KPIs einerseits und allgemeinen Geschäftsgrundsätzen, wie eben die Cash Flow Sicht auf die Dinge andererseits zu finden, desto größer die Anzahl der Investoren und Käufer, die man damit adressieren kann.