ANANYSIS PAPALYSIS ÜBERWINDEN

Es soll einmal eine Zeit gegeben haben, in der Datenräume aus staubigen Hinterzimmern bestanden, in denen graue Anzugträger Regalwände voller Aktenordner sichteten, sich dabei geflissentlich Notizen in ihre Moleskine Notizbücher machten, um nach einer gefühlten Ewigkeit ein Urteil darüber zu fällen, ob die Chancen/Risiken Abwägung den Kauf oder die Investition in ein Unternehmen rechtfertigen. Oder eben nicht.

Die staubigen Hinterzimmer sind dank Online-Lösungen Vergangenheit. Von den Moleskine Notizbüchern komme ich selbst nicht weg. Was blieb sind i.d.R. mehrmonatige Prozesse, in denen Investoren sich im Rahmen eines Due Diligence Prozesses mit Unternehmen befassen. Für alle Beteiligten ein Unterfangen, der deutlich weniger unterhaltsam ist, als Richard Gere es uns 1990 verkaufen wollte. Sehr deutlich.

Die Gründe liegen auf der Hand. Der Kauf einer juristischen Person, über die wir typischerweise sprechen, bringt die Übernahme aller Rechte und Verbindlichkeiten mit sich und jedes Geschäftsmodell hat seine Besonderheiten. Dabei ist meine Erfahrung, dass weniger die „Killer-Idee“, sondern vielmehr Prozess-Intelligenz und konsequente Umsetzung über Jahre hinweg den Erfolg eines Unternehmens ausmachen, womit eine interessante Fülle von Details dargelegt und verstanden werden wollen.

Es überrascht nicht, dass auch die Unternehmenshistorie den Due Diligence (DD) Prozess prägt. Je länger zurückliegend die Gründung, desto mehr Verträge konnten abgeschlossen werden, die zu prüfen sind. Natürlich sind Größe und Komplexität weitere wichtige Faktoren. Zu den die DD beeinflussenden Faktoren gehört aber auch der Investor.

Dabei sollte das eine Investition oder einen Verkauf anstrebende Unternehmen absolut immer davon ausgehen, dass steuerliche, finanzielle und rechtliche Verhältnisse genauestens unter die Lupe genommen werden („tax“, „financial“ und „legal“ due diligence). Steuern sollten abgeführt oder entsprechende Rückstellungen gebildet worden sein, GuV und Bilanzen ggü. den davor getätigten Aussagen des Unternehmens wirklich keinerlei Überraschungen offenbaren und die vielen Beziehungen, die das Unternehmen unterhält, möglichst in Verträgen dokumentiert sein, auf die der Investor auch in Zukunft pochen kann. Abhängigkeiten sind immer schlecht. Der englische Begriff „single point of failure“ bringt dieses Thema recht gut auf den Punkt.

Eines der interessantesten DD Segmente ist die sogenannte, Geschäftsmodell, Markt und Wettbewerb behandelnde Commercial Due Diligence. Ein Bereich, der kaum eine Rolle zu spielen scheint, wenn ein Venture-Capitalist mit Branchenfokus in ein StartUp investiert, kann überragende, alle anderen DD Bereiche überragende Bedeutung erlangen, wenn ein strategischer- oder Private Equity Investor als Käufer auftreten.

Das ist in mehrfachem Sinne verständlich. Der CEO eines Strategen trägt ggü. seinen Gremien und Investoren ebenso Verantwortung für die Transaktion, wie der Finanzinvestor seinen sog. Limited Partners (also den Hauptanteil zum jeweiligen Fonds beitragende Investoren) Rede und Antwort stehen muss.

In Bezug auf die Commercial DD kommt hinzu, dass Geschäftsmodell, Markt und Wettbewerb naturgemäß am schwierigsten zu „greifen“ sind. Je innovativer ein Geschäftsmodell ist, desto aufwändiger kann es sein, diese Innovation allgemein verständlich darzustellen. Oftmals bedarf es dazu darüber hinaus einiges an Vorstellungsvermögen. Das wiederum ist allen desto weniger gegeben, je fremder uns ein Thema ist. Und oben erwähnte Entscheidungsträger sind digitalen Themen unterschiedlich nah (wobei Digitalität natürlich nicht zwingend ein Synonym für Innovation ist). Hingegen geht man bei einem VC Investor von vornherein von entsprechender Branchen- und Themenexpertise aus (was allerdings ein Klischee sein kann; die interessantesten Transaktionen, die ich selbst begleitete, wurden von strategisch denkenden Persönlichkeiten geprägt, die ihr eigenes Geschäftsmodell und die entsprechenden Herausforderungen genauso gut verstanden, wie die Innovationsart und der Innovationsgrad, die den Weg in die Zukunft zusätzlich ebnen).

Und sobald es dann um Synergien geht, also dem Zusammenspiel zwischen bereits existierenden Geschäftsbereichen des Käufers bzw. Investors und der zu übernehmenden Organisation, kommt die nächste Komplexitätsebene hinzu. An dieser Stelle kann der vermeintliche Vorteil der Innovation in das genaue Gegenteil umschlagen. Absurderweise, denn Innovation und die sich hoffentlich daraus ergebenden Synergien machen diese Art von Unternehmen für Strategen und Private Equity Investoren (die ja gerne ein „andocken“ an existierende Portfolio-Unternehmen anstreben) erst interessant. Aber Innovation will eben erklärt und Synergien wollen herausgearbeitet werden.

Natürlich sollten sich die verschiedenen DD Parteien gemeinsam und konstruktiv um ein Verständnis der Kerninnovation und des Mehrwertes für den Käufer bemühen. Das ist aber durch die unterschiedlichen, in keinem Hierarchieverhältnis zueinander stehenden Beteiligten und die Eigendynamik des Prozesses nicht immer einfach. Stattdessen wird gerne eine Überfülle an Daten gesammelt, was es nicht leichter macht, den Überblick zu behalten. Vom einem Narrativ, dem roten Faden zum Verständnis des Unternehmens ganz zu schweigen.

Und das führt dann eben zur besagten „analysis paralysis“, man hat den Prozess durch den selbst generierten Datenwust quasi lahmgelegt. Werden dann, um diesen Knoten zu zerschlagen, weitere und noch dazu redundante Fragenkataloge aufgestellt, kann dies für das Management des Targets etwas frustrierend werden.

Das mag harmlos klingen, aber wenn es einen Prozess gibt, in dem man Überraschungen und Frustrationen vermeiden möchte, ist das eine Due Diligence. Eine reibungslos ablaufende Unternehmenstransaktion stellt die verkaufenden Unternehmer ohnehin meist vor administrative und Arbeitslast-Anforderungen, die sie so bislang noch nicht kannten.

Da Transaktionen immer auch Team-Arbeit eines wie erwähnt hetoregenen Teams sind, bedarf es in der problemlösenden Kommunikation immer auch einiges an Fingerspitzengefühl und Standardlösungen gibt es kaum. Vielleicht kann man aber sagen:

  • Von vornherein auf maximale Transparenz in allen Due Diligence Bereichen vorbereiten. Mit dem Ausdruck „die Braut hübsch machen“ ist im M&A Kontext etwas anderes gemeint. Ich würde eher von „den Dachboden aufräumen“ sprechen. In der Vorbereitung auf eine Transaktion ist es wirklich ganz besonders wichtig, nahezu jeden Vorgang dokumentieren zu können.
  • Proaktiv bleiben. Den Hintergrund des Käufers in spe verstehen und besondere Fragenbereiche frühzeitig absehen.Ein Due Diligence Prozess ist nicht dafür da, Geschäftsprozesse zu erklären. Der Zweck ist vielmehr ein Durchleuchten des Unternehmens und das Aufdecken von Problemen, die nicht offensichtlich sind, manchmal auch nicht für die aktuellen Gesellschafter selbst. Es ist im ureigensten Interesse des Verkäufers wie auch des Käufers, dass Basisabläufe nicht erst in der Due Diligence zur Sprache kommen. Natürlich sollen Managementpräsentationen immer glamuorös wirken. Aber mit Glamour verdient man kein Geld. Wenn vermeintlich zu profan, dann eben in das Backup der Präsentation. Solche Themen in die Due Diligence zu verschieben, kann den Zeitaufwand für Erklärungen wirklich exponentiell erhöhen.
  • Nach Möglichkeit (strikt) logisch bleiben.Oft stehen z.B. KPIs in einem nachvollziehbarem Verhältnis zueinander und leiten sich voneinander ab. Der erste verdiente Umsatz-Euro ist meist das Produkt von a mal b mal c. Hier trennt sich auch die Spreu vom Weizen, was Investoren-Pitches und Due Diligence Präsentationen angeht. Den 10 – Folien Pitch, der 100 Mio. Euro eingebracht hat, gibt es nicht. Das ist Marketing (mit welchem Ziel auch immer). Man wird sich stets bündig ausdrücken wollen, diese Information zu vermitteln, benötigt aber immer auch seine Folien und seine Sheets.
  • Schlagwörter und Buzzwords unter Kontrolle behalten.Egal wie innovativ vermeintlich, Geschäftskonzept, Geschäftsmodell und Abläufe müssen auch sprachlich verständlich bleiben und vom Fleischer wie der Apothekerin am Eck (die ihrerseits vieles wissen, von dem unsereins keine Ahmung hat) verstanden werden. Dazu bietet es sich an, branchentypische Buzzwords mit Augenmaß zu verwenden. Alles, was man selbst verklausuliert, muss von jemand anderem quasi übersetzt werden. Wie gut und wie verständlich ist von zur Verfügung stehender Zeit und Erfahrung abhängig. Über ein bestimmtes Maß hinaus kann beides nicht vorausgesetzt werden
  • Den Prozess mitmanagen.Sich den Due Diligence Beratern nicht ausliefern. Deren Fragenkataloge diesen letztlich dem Zweck, ein Verständnis aufzubauen und zu dokumentieren. Fragenkataloge, die nicht zu 100% sinnvoll erscheinen, sollte man im eigenen Interesse mit dem involvierten Berater produktiv diskutieren und anpassen.